27.09.2022

Teilzeit und 4-Tage-Woche stehen hoch im Kurs

Berufstätige beklagen Digitalisierung und härteren Arbeitsmarkt

Berufstätige streben nach Teilzeitarbeit und stellen klassische Arbeitsmodelle in Frage

48 Prozent der Vollzeit-Beschäftigten in Deutschland wollen zur Teilzeit-Arbeit wechseln, wenn sie die Möglichkeit dazu vom Arbeitgeber bekommen. Am stärksten ist der Wunsch nach verkürzter Arbeitszeit bei den Berufstätigen unter 40 Jahren (51 Prozent).

Sogar mehr als drei Viertel aller Beschäftigten (76 Prozent) plädieren zudem für die Einführung der 4-Tage-Woche in ihren Unternehmen. Besonders stark ist das in der Industrie der Fall (86 Prozent). Hier wäre sogar jeder Vierte (24 Prozent) bereit, dafür auf einen Teil des Lohns zu verzichten (13 Prozent sind es unter allen Beschäftigten).

Diese Ergebnisse der diesjährigen HDI Berufe-Studie lassen aufhorchen. Denn sie stehen in offensichtlichem Widerspruch zu dem fast überall aus der Wirtschaft kommenden Ruf nach erweiterten Arbeitspotentialen als Reaktion auf fehlende Personalkapazitäten.

Digitalisierung ermöglicht neue Arbeitsmodelle

Die massive Digitalisierung der Arbeitswelt, die durch die Corona-Pandemie seit 2019 deutlich beschleunigt wurde, zeigt Auswirkungen: So loben heute 60 Prozent aller Beschäftigten die Digitalisierung im Beruf als hilfreich - das sind fast ein Drittel mehr als vor der Corona-Zeit 2019. Zugleich geht die Sorge vor Jobverlusten durch die Digitalisierung in Deutschland weiter zurück.

In der Folge sehen 41 Prozent aller Berufstätigen inzwischen sogar qualitativ verbesserte Arbeitsergebnisse durch mobiles Arbeiten. Nur 29 Prozent bestreiten das. Besonders positiv ist die Meinung hier bei jüngeren Berufstätigen unter 45 Jahren (48 % zu 21 %). Diese Altersgruppe hat auch ein besonders hohes Interesse an Angeboten zu mobilem Arbeiten. Und dass Unternehmen, die mobiles Arbeiten anbieten, bei der Berufswahl attraktiver als solche ohne entsprechende Angebote sind, sagen zwei Drittel aller Beschäftigten.

„Besonders junge Berufstätige in Deutschland streben den Ergebnissen unserer Studie zufolge vehement nach mehr Freiräumen im Beruf. Sie wollen mitbestimmen, wo, wann und wie lange sie arbeiten. Ihre Vorstellungen weichen dabei deutlich von den tradierten Arbeitsmodellen ab. Die Corona-Erfahrungen haben diese Einstellungen offenbar stark befördert.“

Dr. Christopher Lohmann
Vorstandsvorsitzender von HDI Deutschland

Nachlassende Berufsbindung

„Ich würde so schnell wie möglich mit meinem beruflichen Arbeiten aufhören, wenn ich es finanziell nicht mehr nötig hätte.“ In der ersten HDI Berufe-Studie 2019 stimmte rund jeder dritte Berufstätige in Deutschland dieser Aussage zu. Drei Jahre und einige Corona-Erfahrungen später liegt die Zustimmung im Jahr 2022 bei 56 Prozent – also um mehr als ein Drittel höher.

Deutlich gestiegen ist auch hier der Anteil junger Berufstätiger, die sich „ein Leben ohne Beruf“ vorstellen können.

Lehrer, Mediziner und IT-Kräfte sehen sich häufiger in ihrem Traumberuf

Etwa jeder dritte Beschäftigte (37 Prozent) gibt aktuell an, heute in dem Beruf zu arbeiten, den er sich immer gewünscht und daher angestrebt habe. Auffällig ist der große Unterschied zwischen Selbständigen (46 % im Traumberuf) und Angestellten (36 %). Auch zwischen Beschäftigten in Teilzeit (29 %) und in Vollzeit (39 %) ist die Differenz groß. Zudem steigt das Empfinden der Arbeit als Traumberuf signifikant mit wachsendem Einkommen. Mit steigendem Lebensalter nimmt es dagegen ab.

Unter Lehrern und Ausbildern erreicht die Traumberuf-Quote mit 59 Prozent den höchsten Wert aller Berufsgruppen. Auch unter Medizinern und IT-Kräften arbeiten mit jeweils 44 Prozent überdurchschnittlich viele in ihrem „Traumberuf“. Bei Beschäftigten im Sicherheits- und Reinigungsgewerbe ist das hingegen nur zu 20 Prozent der Fall. Sie bilden damit das Schlusslicht unter allen Berufsgruppen.

Unterschiede in den Berufsgruppen

Ihren derzeitigen Beruf jungen Leuten empfehlen - das würden insgesamt in allen Berufsgruppen weniger Beschäftigte als im Vorjahr (65 Prozent, 2021: 67 Prozent). Im Bereich Bau und Architektur sowie im Sicherheits- und Reinigungsgewerbe ist der starke Rückgang der Empfehlungsrate besonders auffällig. Gestiegen ist dieser Wert jedoch bei Beschäftigten im Bereich Recht und Verwaltung - und dies kräftig: von 67 Prozent im Vorjahr auf jetzt 77 Prozent. Eine erhöhte Empfehlungsrate gibt es ansonsten nur noch in der Berufssparte Finanzdienstleistungen, Rechnungswesen und Steuerberatung. Dort erhöhte sich der Wert gegenüber dem Vorjahr von 65 Prozent auf 68 Prozent.

Die Ergebnisse der Untersuchung beruhen auf einer Sonderauswertung der HDI Berufe-Studie 2022, bei der im Juni/Juli 2022 gemeinsam mit dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov Deutschland insgesamt 3.891 Erwerbstätige ab 15 Jahren befragt wurden. Darunter befanden sich rund 368 Selbständige/Freiberufler und 3523 Angestellte.

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